Markenlogo
Mehrere Menschen singen Weihnachtslieder auf einem festlich beleuchteten Weihnachtsmarkt neben einem geschmückten Weihnachtsbaum.
Unser Leben

Warum Singen so guttut – für Körper, Seele und Gemeinschaft

Gerade an Weihnachten wird es spürbar: Ob unterm Christbaum oder im Chor – gemeinsames Singen macht glücklich und hält gesund

Drucken

Bild: KI / ChatGPT / Agentur 2 Publishing

"Der Alltag tritt für zwei Stunden zurück"

Hin und wieder gibt es Tage, an denen Doris Diemer keine rechte Lust hat zu singen. Wenn die Arbeit der Erzieherin besonders anstrengend war, sie endlich zu Hause ist und ihre Couch nicht mehr verlassen möchte. „Irgendwie schaffe ich es aber trotzdem immer, mich aufzuraffen“, erzählt die Augsburgerin. „Ich weiß ja, dass mir das Singen guttut.“ Deshalb hat sie seit vielen Jahren kaum eine der wöchentlichen Chorproben verpasst.

Seit 2004 singt die 57-Jährige im Augsburger Frauenchor „voxfemale“. Das Repertoire ist breit und reicht vom gregorianischen Choral bis zur poppigen Filmballade. Das gefällt Doris Diemer, weil sie so immer etwas Neues kennenlernt und gefordert wird. „Ich muss mich in der Probe ganz auf die Musik, auf meine Stimme und das Zusammenspiel mit den anderen Sängerinnen konzen­trieren, aber genau das ist das Schöne: Der Alltag mit all seinen Sorgen und Problemen tritt in diesen zwei Stunden zurück.“ Nach jeder Probe fühlt sie sich regelrecht aufgeladen und so voller Energie, dass sie Bäume ausreißen könnte. „Singen ist für mich ein echtes Lebenselixier.“

Singen ist Gefühl pur, Trost und Freude

Singen spendet nicht nur Energie. Es ist Gefühl pur, Trost und Freude, Lachen und Weinen. Doris Diemer erzählt, dass ihr manchmal die Tränen kommen, wenn eine Melodie oder eine Liedzeile sie besonders berührt. „Singen öffnet das Herz.“

Warum Alter, Beruf und Herkunft keine Rolle spielen

In ihrem Chor sind rund 30 Frauen im Alter zwischen 22 und 67 Jahren aktiv. Lehrerinnen sind darunter und eine Ärztin, eine Schreinerin, eine Optikerin und eine Übersetzerin. „Wir sind eine bunt gemischte Truppe, die hervorragend miteinander harmoniert“, freut sich die Chorleiterin Christiane Steinemann (62), die „voxfemale“ vor 25 Jahren gegründet hat.

Beruf, Alter oder Herkunft – all das spielt keine Rolle. „Das gemeinsame Erleben von Musik und dabei ein Teil eines großen Ganzen zu sein – das ist es, was das Singen im Chor ausmacht.“ Die Kirchenmusikerin räumt auch gleich mit Vorurteilen auf. Erstens: Chöre sind nicht nur etwas für Menschen, die gut singen können. Zweitens: Abgesehen von den etwa vier Prozent der Bevölkerung, die von einer Amusie betroffen sind, also Musik als solche nicht wahrnehmen können, kann jeder singen. Drittens: Jeder, verspricht die Chorleiterin, kann seine Stimme trainieren.

Große Auswahl: Rund 60.000 Chöre gibt es in Deutschland

„Wer Lust hat zu singen, für den findet sich auch der passende Chor“, davon ist Christiane Steinemann überzeugt. Mit etwa 60.000 Chören in Deutschland ist die Auswahl groß. Da sind etwa die Kirchen- oder Heimatchöre, dazu Gesangsvereine aller Art, Chöre speziell für junge oder ältere Menschen, Singgruppen, die bewusst die Generationen mitein­ander verbinden oder Behinderte integrieren, wie zum Beispiel der Leipziger Chor „Thonkunst“, in dem Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam Musik machen.

Zunehmend populär werden auch sogenannte One-Night-Chöre, wie etwa „Der Norden singt“. Hier treffen sich Hunderte Menschen spontan für einen Abend zum gemeinsamen Singen. Bei der bisher größten Veranstaltung waren fast 8 000 Amateur-Sänger dabei.

Insgesamt singen in Deutschland mehr als vier Millionen Menschen ab 14 Jahren in einem Chor oder vergleichbaren Ensemble. Dass Freizeit-Sängerinnen und -Sänger dabei auch viel für ihre Gesundheit tun, dürfte nicht allen bewusst sein, ist wissenschaftlich aber gut belegt: Wer singt, ist fitter und glücklicher.

40 %

aller Deutschen, die in ihrer Freizeit Musik machen, singen. Besonders hoch ist der Anteil bei den über 60-Jährigen. In dieser Altersgruppe singen 50 Prozent der Amateurmusiker in einem Chor oder Gesangsverein.

Quelle: Deutsches Musik­informations­zentrum

Was beim Singen im Körper passiert

Das Wichtigste beim Singen ist die Atmung: Gute Sänger atmen in den Bauch hinein. Diese Atmung stärkt das Herz und reguliert den Blutdruck. Organe und Gehirn werden besser durchblutet und die Konzentrationsfähigkeit steigt. Eine Viertelstunde lautes Singen ist für den Körper so anstrengend wie leichter Sport. Das wiederum trainiert und stabilisiert unser Herz-Kreislauf-System.

Nachgewiesen ist zudem, dass beim Singen unsere Abwehrkräfte gestärkt werden. Auch die Produk­tion des Hormons Melatonin kommt in Fahrt. Melatonin verbessert den Schlaf und beugt Krebserkrankungen vor. Singen ist aber nicht nur gesund, es macht auch glücklich. Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden abgebaut und
stattdessen körpereigene Glückshormone ausgeschüttet.

Glückshormone statt Stress

Wenn wir in der Gemeinschaft mit anderen singen, produziert unser Gehirn zudem reichlich Oxytocin, das sogenannte Kuschelhormon, das etwa auch beim Stillen eines Kindes ausgeschüttet wird. „Auch deshalb bauen wir beim Singen eine enge Beziehung zu unseren Mitmusikern auf, was sich dann wiederum positiv auf unser Gemüt auswirkt“, sagt der Musiktherapeut Norbert Hermanns, der selbst knapp 30 Jahre im Kölner Opernchor gesungen hat.

Warum Singen heilsam sein kann

Norbert Hermanns ist sich schon lange der heilenden Wirkung des Singens bewusst. Der Therapeut setzt sich seit mehr als 13 Jahren für den Verein „Singende Krankenhäuser“ ein, um das Singen in Kliniken zu etablieren. Mittlerweile gibt es fast in jedem Bundesland mehrere Einrichtungen, die ihren Patienten ein musikalisches Angebot machen. Es sind Singgruppen für Krebs-, Demenz- oder Schmerzpatienten, Chöre mit Menschen, die an Depressionen oder Ängsten leiden, einen Schlaganfall erlitten haben oder traumatisiert sind. „Musik und Gesang, sofern richtig eingesetzt, haben immer eine positive Wirkung“, sagt der Therapeut.

Musik als Zugang zu Erinnerungen

Kaum etwas ist in unserem Gedächtnis so tief verankert wie die Melodien unserer Kindheit und der Jugend. Das hängt auch damit zusammen, dass wir mit bestimmten Liedern große Gefühle und wertvolle Erinnerungen verknüpfen. Da ist das Lied, das unsere Eltern beim Wandern angestimmt haben. Oder das Lied, zu dem wir mit unseren Freundinnen immer getanzt haben. Oder das Lieblingslied der Mutter, das sie so gerne gesungen hat. Vielleicht erklärt das auch, warum Alzheimer-Patienten, die ihre Kinder nicht mehr erkennen, dennoch in der Lage sind, die Schlager ihrer Jugend textsicher mitzusingen.

Demenzkranke können sogar über das Singen ihre Sprache wiederfinden und damit auch einen Teil ihrer selbst. Die Musik-Geragogin Bettina Switlick, die sich um die
musikalische Bildung von älteren Menschen kümmert, hat das in ihrer
Arbeit oft erlebt. „Das Wunderbare am Gesang ist“, sagt sie, „dass mit der Musik auch Menschen in einem späteren Stadium der Demenz noch erreicht werden und so Gefühle wie Glück und Geborgenheit erleben können.“

Einmal im Monat besucht sie die Bewohner eines Altenheims und singt mit ihnen Volkslieder, aber auch gerne mal Schlager, wie zuletzt, als die Singstunde unter dem Motto Italien stand. „Bei vielen Bewohnern wurden dadurch Erinnerungen an vergangene Italien-Reisen wach“, berichtet die Ludwigsburgerin. „Da wurde im Anschluss noch viel erzählt und sehr viel gelacht.“

Eine Gruppe älterer Menschen singt gemeinsam mit einem jungen Mann, der Gitarre spielt, in einem hellen Aufenthaltsraum.

Gemeinsames Singen kann Menschen jeden Alters verbinden – auch in Pflegeheimen oder therapeutischen Gruppen, wo Musik Erinnerungen weckt und Gemeinschaft stärkt.

© Bild: KI / ChatGPT / Agentur 2 Publishing

„Summen Sie das Muhen einer Kuh“

Der ausgebildete Opernsänger Norbert Hermanns (61) ist Musiktherapeut und arbeitet mit Patienten eines psy­chosomatischen Krankenhauses im Allgäu. Im Interview spricht er über die heilende Kraft des Singens

Wann haben Sie selbst zuletzt gesungen?
Norbert Hermanns Ich singe jeden Morgen. Wobei, eigentlich summe ich. Das ist eine wunderbare Möglichkeit, den Tag mit einem Wohlgefühl zu beginnen. Summen Sie doch einmal bewusst – spüren Sie die Vibration in Ihrem Kiefer und dem Brustkorb? Der Atem verlängert sich und Sie kommen sofort in die Ent­spannung. Auch das Muhen tut gut.

Das Muhen?
Na ja, summen Sie doch mal das Muhen einer Kuh. Im Singkreis sorgt das Muhen immer für gute Stimmung und einige Lacher. Auf diese Weise weiten Sie Ihren Rachen und Ihre Kiefermuskulatur und öffnen Ihre Stimme. Beim Lachen lösen sich Verspannungen, genauso wie beim Singen.

Welche weiteren positiven Effekte hat das Singen?
Die Liste ist lang. Herz, Kreislauf und Immunabwehr werden gestärkt, die Selbstheilungskräfte angeregt, die Konzentrationsfähigkeit steigt, vor allem aber intensiviert sich die Atmung. Viele Menschen haben sich eine flache Atmung angewöhnt, dabei können wir viel tiefer, nämlich in den Bauch atmen. Das ist wichtig, damit auch die unteren Teile der Lunge belüftet werden und wir das Herz in seiner Pumpbewegung unterstützen.

Wie wirkt sich das Singen denn auf die Seele aus?
Singen entspannt, belebt, verbindet, tröstet, bereitet Freude und macht glücklich. Menschen, die singen, können Stress besser verarbeiten und beugen Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen vor. In therapeutischer Hinsicht ist das Summen und Singen oft der einzige Weg, mit dem ich schwer traumatisierte Menschen erreichen kann.

Wie unterscheidet sich das heilsame vom normalen Singen?
Beim heilsamen Singen gibt es keinen Leistungsdruck. Es ist völlig unwichtig, ob Töne getroffen werden oder nicht. Wir arbeiten mit einfachen Liedern, deren Texte Mut
machen und Kraft geben. Die Stimme schwingt dabei intensiv durch den Körper, dieser wird dadurch spürbar. Und die Verbundenheit in der Gruppe wird durch gemeinsame Bewegungen unterstützt.

Warum hat Singen eigentlich so eine große Kraft?
Weil es zu unserer Evolution, zu unserem Mensch-Sein gehört. Und weil nichts für uns mit so tiefen und positiven Emotionen verbunden ist wie Gesang und Musik.

Ein rot beleuchteter Lastwagen fährt auf einer verschneiten Landstraße durch eine winterliche Waldlandschaft bei Dämmerung.

Wer denkt bei einem solchen Bild nicht an "Wonderful Dream" von Melanie Thornton oder "Driving Home For Christmas" von Chris Rea?

© Bild: KI / ChatGPT / Agentur 2 Publishing

Die Top 10 der Weihnachtshits im deutschen Radio 2024

Besonders in der Weihnachtszeit haben Lieder und Singen eine ganz besondere Bedeutung. Jeder von uns kann bestimmt mehrere Weihnachtslieder mitsingen und verbindet damit besondere Erinnerungen. Im Radio dagegen spielen “O Tannenbaum” und “Stille Nacht” kaum eine Rolle. Das sind die zehn meistgespielten Weihnachtslieder im deutschen Hörfunk 2024


1
Last Christmas!
Wham (1984)

2
All I want for Christmas is You
Mariah Carey (1994)

3
Do they know it’s Christmas
Band Aid (1984)

4
Driving home for Christmas
Chris Rea (1988)

5
Wonderful Dream (Holidays are coming)
Melanie Thornton (2001)

6
Christmas Time
Bryan Adams (1985)

7
Thank God it’s Christmas
Queen (1984)

8
Merry Christmas Everyone
Shakin’ Stevens (1985)

9
Wonderful Christmastime
Paul McCartney (1979)

10
Feliz Navidad
José Feliciano (1970)

Quelle: GEMA Auswertung der im Radio gespielten Songs von 1. bis 26. Dezember 2024 in Deutschland

So finden Sie Ihre Singstimme

Singen ist vor allem Übung, sagt Christiane Steinemann, die seit mehr als 20 Jahren den Augsburger Frauenchor „voxfemale“ leitet. Hier erklärt sie, wie Sie Ihre Singstimme finden

Das Atmen

  • Üben Sie die tiefe Bauchatmung. Stellen Sie sich gerade hin, atmen Sie durch die Nase ein und dann so lange durch den Mund wieder aus, wie es geht.
  • Atmen Sie dabei beim ersten Mal auf ein lautes „F“ aus, beim zweiten Mal auf ein „S“ und beim dritten Mal auf ein „Sch“.

Zum Aufwärmen

  • Stellen Sie sich vor, Sie haben eine heiße Kartoffel im Mund. Und dann summen Sie.
  • Summen Sie eine Minute lang, angefangen bei den tiefen Tönen, dann in die Höhe und wieder zurück.
  • Und wieder von vorne.

Zum Auflockern

Warum bei vielen die Singstimme so kracht? Oft ist die Kehlkopfmuskulatur verkrampft. Aber auch hierfür gibt es eine Übung.

  • Nehmen Sie einen Strohhalm zwischen die Lippen.
  • Singen Sie eine Minute lang Ihr Lieblingslied oder was sonst gerade im Radio läuft.

Das lockert den Kehlkopf und Ihre Stimme wird nach dieser Übung wie geölt klingen.

Nur Mut

„Singen hat sehr viel mit Selbstvertrauen zu tun“, betont Christiane Steinemann. Deshalb: „Trauen Sie sich und gehen Sie in einen Chor.“ Und keine Sorge: Hier sind auch Anfänger und untrainierte Stimmen willkommen.„Chorgemeinschaften freuen sich über neue Mitglieder und unterstützen sie“, sagt die Chorleiterin.

Background image
Image Text CTA

plus Magazin verschenken und Gutschein sichern!

  • Custom list icon

    12 Ausgaben plus Magazin + 6 Sonderhefte Happy für nur € 89,90

  • Custom list icon

    GRATIS: dm-Gutschein im Wert von € 20,-

  • Custom list icon

    Print & digital