Wer ist Elise? Wem widmete Beethoven eines seiner berühmtesten Klavierstücke? Warum übte der Komponist so eine starke Anziehungskraft auf Frauen aus?
Zum 250. Geburtstag des Genies ist jetzt ein Buch erschienen, das Beethovens unbekannte Seite zeigt: „Mein Engel, mein alles, mein Ich…“ (Sophia Mott, 18 Euro, ebersbach & simon). Unsere Redakteurin traf die Autorin zum Interview:
Experten-Interview „Beethoven und die Frauen“
Beethoven soll kein Adonis gewesen sein, man sagt, er war griesgrämig und hatte Wutanfälle. Dennoch übte er zeitlebens eine Anziehungskraft auf Frauen aus. Worin lag denn die Kunst seiner Verführung?
MOTT: Beethoven war bereits in seiner Zeit ein „Star“. Vor allem die Damen aus adligen Häusern drängten sich, bei ihm Unterricht zu bekommen, wofür er nie Geld verlangte, wenn ihm die Schülerinnen gefielen und sie gut Klavier spielten. Manchmal zerriss er im Zorn die Noten, weil sie eine Stelle nicht mit genug Ausdruck spielten. Aber er konnte auch sehr empathisch sein. Wenn eine Frau Kummer hatte, improvisierte er stundenlang für sie auf dem Klavier, um sie zu trösten.
Obwohl er selbst nicht von Adel war, pflegte der Komponist viele Beziehungen zu adligen Frauen. Woher nahm er dieses Selbstbewusstsein, sich über Standesdünkel hinwegzusetzen?
MOTT: Schon während seiner Jugend in Bonn hatten ihn die Ideen der Aufklärung tief geprägt. Die forderte er in seiner 9. Symphonie, in der „Ode an die Freude“ ganz vehement ein: „Alle Menschen werden Brüder!“ Außerdem wusste er natürlich ganz genau, dass er ein Genie war. Seinem Gönner Fürst Karl Lichnowsky schrieb er: „Fürst, was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich; Fürsten hat es und wird es noch Tausende geben, Beethoven gibt’s nur einen.“
Kamen Verbindungen möglicherweise auch wegen der Standesunterschiede nicht zustande?
MOTT: Zumindest glaubte Beethoven das. Es gab aber schon damals Frauen, die sich über die gesellschaftlichen Schranken hinwegsetzten. Witwen oder getrennt lebende Frauen hatten oft bürgerliche Geliebte. So eine „wilde Ehe“ musste man sich allerdings leisten können. Das Beethoven nie eine feste Partnerin fand, hatte mehr mit seiner schwierigen Persönlichkeit zu tun. Er litt unter furchtbaren Stimmungsschwankungen und war vollkommen chaotisch. Er hätte es auch in einer bürgerlichen Ehe nie ausgehalten – oder vielleicht hätte es seine Frau nicht ausgehalten.
Beethoven blieb zeitlebens Junggeselle. Weiß man, ob er das bedauert hat?
MOTT: Das hat er sehr bedauert. Es war sein Lebenstrauma. Noch auf dem Sterbebett hat er geklagt, nie eine Frau gefunden zu haben.
Hat er jemals einer Frau einen Heiratsantrag gemacht?
MOTT: Ganz gewiss ist es nicht. Aber zumindest bei Therese Malfatti, der Nichte seines Arztes, hat er sich wohl große Hoffnungen gemacht. Er ließ sich von einem alten Jugendfreund sogar schon einen Taufschein schicken. Aber Therese mochte ihn nicht. Auch der Sängerin Magdalena Willmann, die er bereits aus Bonn kannte, soll er einen Antrag gemacht haben. Ihre Nichte erzählte später, sie habe ihn nicht angenommen, weil er so hässlich war und halb verrückt.
Die Mondscheinsonate war Gräfin Guilietta Guicciardi gewidmet. Doch wer ist Elise?
MOTT: Darüber streiten die Gelehrten. Am wahrscheinlichsten ist es eben jene Therese Malfatti gewesen, die er so gerne heiraten wollte. Es ist möglich, dass die Widmung auf dem Autograph falsch interpretiert wurde. Beethoven hatte eine grauenvolle Handschrift. Das Stückchen fand sich später aber im Besitz einer Verwandten von Therese. Kurz darauf verschwand das Autograph wieder und so wird es wohl weiter ungewiss bleiben, ob Beethoven Therese tatsächlich eines seiner populärsten Stücke gewidmet hat.
Welche berühmten Stücke widmete er Frauen?
MOTT: Gar nicht so viele, denn Widmungen hatten nicht allein etwas mit Sympathie oder Freundschaft zu tun. Beethoven bekam häufig Geldgeschenke für die Widmungen von seinen Gönnern. Der Name einer wichtigen Persönlichkeit auf der Druckausgabe bedeutete auch Prestige für den Komponisten. Aber natürlich ist da die berühmte Mondscheinsonate für Giulietta Guicciardi. Sie war eine seiner unglücklichen Lieben. Sein erstes Klavierkonzert widmete er der Prinzessin Odescalchi, eine seiner besten Schülerinnen, in die er ebenfalls verliebt gewesen sein soll. Die große Liebe aber bekam die kleinste Widmung. Von ihr sollte niemand etwas wissen.
Wer ist denn nun die Geliebte in seinem berühmten Brief? Josephine Brunsvik, Antonie Brentano oder jemand ganz anderes?
MOTT: Vielleicht wird das nie geklärt. Es tauchen sogar immer wieder neue Kandidatinnen auf. Ich habe für mich eine Entscheidung getroffen, aber die verrate ich nicht. Wer will, kann in meinem Buch versuchen, der Sache auf die Spur zu kommen.
Beethoven komponierte als Perfektionist: Hatte er überhaupt Zeit, Frauen zu treffen? Oder beschränkten sich seine Kontakte lediglich auf Briefwechsel?
MOTT: Beethoven war tatsächlich sehr fleißig, ja besessen von seiner Arbeit. Er komponierte eigentlich immer, auch beim Spazierengehen. Aber die Abende verbrachte er meist in Gesellschaft, er besuchte Konzerte, musizierte mit seinen bevorzugten Schülerinnen und unterrichtete sie stundenlang. Die Briefwechsel mit Frauen sind dagegen relativ spärlich. Er hasste es, Briefe zu schreiben. Es gibt tatsächlich nur eine, der er leidenschaftliche Liebesbriefe geschickt hat.
Waren Frauen für ihn nur Geliebte oder erfüllten sie andere Rollen?
MOTT: Ob er überhaupt jemals eine richtige Geliebte hatte, ist so ungewiss, wie vieles in Beethovens Leben. Es ist ja alles schon ein Weilchen her, mehr als 200 Jahre, da geht manches verloren. Und einige Zeitgenossen, gerade die, die ihn gut kannten, wollten aus Diskretion nichts über solch intime Dinge sagen. Verliebt war Beethoven oft. Er war ein leidenschaftlicher, sehr emotionaler Mensch. Aber er hatte hohe Ansprüche. Die Frau sollte schön, gebildet und am besten von Adel sein. Und natürlich sollte sie seine Musik verstehen. Ob ihn jemals eine erhört hat, wird wohl ein Geheimnis bleiben.