Aktuell hört man viel von Lieferengpässen bei Medikamenten. plus Magazin sprach deshalb mit Experte Christian Splett, Stellvertretendem Pressesprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.

Jeannette Deschler
Herr Splett, muss ich mir wegen der aktuellen Lieferengpässe Sorgen machen?
SPLETT: Niemand in Deutschland sollte in Panik geraten, wenn er oder sie hört, dass es Lieferengpässe bei Arzneimitteln gibt. Die meisten Medikamente sind weiterhin problemlos und zuverlässig zu bekommen. Bei manchen Präparaten gibt es allerdings tatsächlich Probleme. Chronisch kranke Menschen sollten also rechtzeitig zur Arztpraxis gehen, sich ein neues Rezept holen, bevor die letzte Packung aufgebraucht ist, damit die Apotheke auch ein paar Tage Zeit hat, um die verordneten Medikamente oder eben Ersatzpräparate zu beschaffen.
Es ist ja nicht nur Fiebersaft knapp. Welche Medikamente betrifft es?
SPLETT: Fiebersäfte und Fieberzäpfchen für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen sind derzeit nur schwer von den Apotheken zu beschaffen. Auch beim Magensäureblocker Pantoprazol, beim Antibiotikum Amoxicillin oder beim Krebsmittel Calciumfolinat gibt es Lieferengpässe. Lieferengpässe von einzelnen Medikamenten und Herstellern sind allerdings nicht ganz neu, sondern leider schon seit Jahren trauriger Alltag in den Apotheken. In den vergangenen Monaten hat diese Herausforderung jedoch ein neues, höheres Niveau erreicht.
Was kann ich tun, wenn mein Medikament nicht lieferbar ist?
SPLETT: Jeder Patient und jede Patientin kann und muss sich auf ihre Apotheke verlassen. Das Apothekenteam wird alles tun, damit die Arzneimittelversorgung funktioniert und damit letztlich die Therapie wirken kann. Etwas Geduld sollte man aber in die Apotheke mitbringen, denn dort werden Datenbankabfragen gemacht, Telefonate mit Großhändlern und Herstellern geführt oder Rücksprachen mit Ärzten getätigt. Auch individuell angefertigte Rezepturen kommen je nach Einzelfallprüfung durch die Apotheke in Frage.
Wo kann ich mich informieren; welche verlässlichen Quellen gibt es?
SPLETT: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinführte führt eine Lieferengpass-Datenbank (Anmerkung der Redaktion: hier klicken) mit gemeldeten, rezeptpflichtigen Medikamenten. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist diese Liste aber nicht unbedingt hilfreich, da sie nicht sofort erkennen können, ob und welche Ersatzmedikamente mit demselben Wirkstoff es gibt. Der Weg zur Apotheke ist deshalb der einzig richtige Schritt. Dort kann man sich erkundigen, die eigene Lage schildern, Optionen prüfen und gemeinsam eine Lösung für die eigene Gesundheit finden.
Unser Experte:
Christian Splett, Stellvertretender Pressesprecher ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.
Warnung vor Medikamenten-Tausch
Tauschen Sie Medikamente nicht einfach, beispielsweise auf „Arzneimittel-Flohmärkten“, wie es kürzlich der Ärztekammer-Präsident angeregt hatte. Gegen ihn läuft mittlerweile eine Strafanzeige, die der Medizinische Behandlungsverbund (MBV) am 19.12.2022 erstattet hatte. Grund: Die „Empfehlung“, respektive Aufforderung zu Abgabe von Medikamenten sei ohne Hinweis auf Altersbeschränkungen, ohne Eingrenzung auf die Art von Medikamenten und vor allem „ohne Hinweis auf die Gefährlichkeit solchen Treibens im Angesicht der Gesundheitssorge betroffener Menschen“ erfolgt.
Warum gibt es eigentlich manchmal Lieferengpässe beim Grippe-Impfstoff?
Das hat vielfältige Gründe: Beim Grippe-Impfstoff liegt es oft daran, dass viele Menschen zu spät zur Impfung gehen, etwa im Februar, wenn der Impfstoff schon abverkauft ist. Empfohlen wird deshalb, dann zum Arzt zu gehen, wenn der Grippe-Impfstoff verfügbar ist, nämlich im September oder Oktober. Dann sollten sich vor allem diejenigen impfen lassen, die über 60 sind – so wie es von der Ständigen Impfkommission empfohlen wird.