Ein Arzt, der Blutdruck, den Puls oder die Blutzucker-Werte von chronisch Kranken aus der Ferne überwacht und zum Telefonhörer greift, sobald die Werte bedrohlich werden? Was klingt wie aus einem Science-Fiction-Film, ist in Deutschland bereits Realität.

So bietet die Universitätsklinik Rostock etwa das Gesundheitsprojekt „HerzEffekt“ an. Herzkranke Menschen sollen dadurch im dünn besiedelten Mecklenburg-Vorpommern besser versorgt werden. Dafür erhalten die Teilnehmer Blutdruckmessgeräte mit Bluetooth-Funktion. Sie übertragen die Werte kabellos und automatisch auf ein Tablet, einen kleinen portablen Rechner, und schicken sie dann direkt und ohne Zeitverzögerung in das Datenzentrum der Uniklinik Rostock. Kommt es zu Auffälligkeiten, informiert das System den Arzt und der wiederum telefonisch den Betroffenen.

Das neue Digitale-Versorgung-Gesetz

Das Digitale-Versorgung-Gesetz, das im Januar 2020 in Kraft trat, soll dabei helfen, dass immer mehr Menschen mithilfe des Internets besser behandelt werden.

Es umfasst folgende drei Punkte:

  • Video-Sprechstunden sind beim Arzt leichter nutzbar.
  • Gesundheitsdaten werden in einer elektronischen Patienten­akte (ePA) gespeichert.
  • Der Arzt kann geprüfte Gesundheits-Apps verschreiben.

Einige der digitalen Anwendungen haben schon bewiesen, dass sie zur Heilung beitragen. Andere müssen im Rahmen einer einjährigen Testphase ihren Nutzen noch zeigen. Bei den Apps etwa handelt es sich um digitale Programme, die man sich auf das Smartphone oder einen tragbaren Tablet-PC lädt.

Sie leisten mittlerweile durchaus Erstaunliches, können etwa:

  • Blutzuckerwerte regelmäßig dokumentieren
  • Essverhalten protokollieren
  • Mehrmals täglich zu mehr Bewegung motivieren
  • Allergiker vor aktuellem Pollenflug warnen
  • Anleitungen zum Entspannen bieten
  • An Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen erinnern.

Zudem gibt es immer mehr Therapie-Programme für den Computer, etwa gegen Stress, Schlafstörungen oder Depressionen. Statt einem Psychologen in Fleisch und Blut gegenüberzusitzen, passiert dabei alles online: Nutzer arbeiten sich daheim durch Übungen, Videos oder Fragebögen.

Der Mensch im Mittelpunkt

Bei all den technischen Neuerungen im Gesundheitswesen drängt sich jedoch die berechtigte Frage auf: Wo bleibt die Menschlichkeit? „Die digitale Medizin soll den Kontakt zwischen Arzt und Patienten nicht ersetzen, sondern unterstützend ergänzen“, beruhigen Experten wie Prof. Erwin Böttinger. „Schon in Kürze erleben wir, wie eine patienten-freundlichere Medizin entsteht“, ist sich der Mediziner und Leiter des Digital Health Centers am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam sicher. Er sieht viele Vorteile im digitalen Gesundheitssystem. „Es trägt dazu bei, Wartezeiten auf Behandlungen zu verkürzen, Diagnosen zu erleichtern, die Vorsorge zu verbessern und zielgerichtetere Therapien anzugehen. Und es garantiert eine flächendeckendere Versorgung“, erklärt der Experte. Es spricht also vieles dafür, Gutes von der Digitalisierung zu erwarten, solange der Mensch im Mittelpunkt steht.