Das klingt verlockend: Ein Medikament gegen Diabetes soll auch bei Übergewicht helfen. Ist es ein Wundermittel oder gefährlich? Der Internist Prof. Martin Pfohl erklärt, für wen die Spritze sinnvoll ist.

Nina Zeller
Wie kann ein Mittel gegen Diabetes beim Abnehmen helfen?
Prof. Martin PFOHL: Bei dem Medikament handelt es sich um Ozempic mit dem Wirkstoff Semaglutid. Dieser ähnelt dem körpereigenen Hormon GLP-1, das den Appetit hemmt. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes kommt es schon seit einigen Jahren zum Einsatz, weil es auch den Blutzuckerspiegel senkt bzw. normalisiert.
Und man spritzt sich das Mittel?
PFOHL: Ja. Ozempic gibt es als Injektion in einem Einweg-Pen. Man spritzt es sich einmal pro Woche selbst. In Deutschland ist es verschreibungspflichtig und für Menschen mit Typ-2-Diabetes zugelassen. Das bedeutet: Liegt diese Krankheit vor, dann zahlt die Kasse die Behandlung. Wegen des guten Abnehm-Effekts fragen aber auch immer mehr gesunde Menschen danach, die einfach ein paar Kilo verlieren möchten.
Zahlt dann auch die Kasse?
PFOHL: Nein. Der Arzt kann es zwar verschreiben, aber wer keinen Typ-2-Diabetes hat, muss das Mittel selbst zahlen. Der Preis für eine Monats-Packung, also vier Spritzen, liegt bei ca. 100 Euro. Wichtig zu wissen: Es handelt sich um ein Medikament, kein Lifestyle-Produkt! Wer also nur mal schnell zwei, drei Kilo verlieren will, für den ist Ozempic nicht geeignet, denn es hat Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Verstopfung, Durchfall oder Erbrechen.
Was gilt für Menschen mit starkem Übergewicht: Kann ihnen das Mittel helfen?
PFOHL: Wer sehr unter seiner Figur leidet, wer gesundheitliche Probleme wie Gelenkschmerzen hat oder schon zig Diäten erfolglos probiert hat, für den kann Ozempic sinnvoll sein. Entscheidend ist jedoch, zusätzlich langfristig den Lebensstil zu ändern – also sich mehr bewegen und gesünder essen. Denn das Mittel hilft nur, solange man es sich spritzt. Wird das Medikament abgesetzt, tritt etwa zwei bis drei Monaten später ein Jo-Jo-Effekt ein und man nimmt wieder zu.
Es gibt auf dem europäischen Markt ein noch höher dosiertes Mittel mit dem Wirkstoff Semaglutid. Ist es auch nur für Typ-2-Diabetiker zugelassen?
PFOHL: Nein. Das noch recht neue Medikament mit dem Handelsnamen Wegovy ist zwar wie Ozempic ebenfalls verschreibungspflichtig und wird gespritzt, aber es ist extra für Adipositas-Patienten entwickelt worden. Also für Personen mit extremem Übergewicht, einem Body-Mass-Index von über 30. Zudem für Menschen mit leichterem Übergewicht und zusätzlichen gesundheitlichen Problemen wie Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes. Wegovy ist allerdings noch nicht auf dem deutschen Markt verfügbar.
Wie viel Gewicht kann man denn mit Wegovy verlieren?
PFOHL: In einer großen Studie nahmen Teilnehmer, die im Schnitt über 100 Kilo wogen, ca. 15 Kilo ab, und zwar über einen Zeitraum von 17 Monaten. Zum Vergleich: Bei den anderen Teilnehmern, die keine Spritze bekamen, waren es nur knapp drei Kilo. Generell braucht man etwas Geduld: Erste Abnehm-Erfolge sieht man nach einigen Wochen – und nicht sofort innerhalb weniger Tage.
Zahlen die Kassen bei starkem Übergewicht?
PFOHL: Das ist noch unklar. Im Gegensatz zu Ozempic ist das neue Mittel sehr viel teurer, zumindest auf dem amerikanischen Markt, wo es bereits verfügbar ist. Eine Monatspackung, also vier Spritzen, kosten rund 1 000 Euro.
Unser Experte
Prof. Martin Pfohl ist Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie am Evangelischen Krankenhaus BETHESDA Duisburg und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
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