Eine Fastenwoche im Kloster nur mit Brühe, Saft und Tee ist nicht nur eine Herausforderung für den Körper, sondern vor allem ein Wellness-Programm für die Seele.

Peter Hummel
Der zeitweise Verzicht auf Nahrung, um Körper und Geist zu innerer Einkehr zu bewegen und sich auf das Wesentliche zu besinnen, ist in vielen Kulturen und Religionen bekannt. Auch unser Redakteur Peter Hummel konnte diesen Effekt bei sich feststellen. Plötzlich tauchten da Ideen und Sehnsüchte auf, die er so im hektischen Alltag zwischen Job, Familie und der Überlegung, was als nächstes auf den Teller kommt, wohl nie bemerkt hätte.
Fasten – Darauf sollten Sie achten
Fasten-Profis schwören darauf, dass das Fasten Körper wie Seele guttut, doch bis es zu diesem Effekt kommt, ist das eine oder andere zu beachten:
Gute Vorbereitung ist das A und O
Entschließt man sich für eine Fastenwoche ist man voller Elan und möchte sofort beginnen. Doch trotz allen Eifers sollten Sie vermeiden, von einem Tag auf den anderen gar nichts mehr zu essen. Der plötzliche Stopp der Kalorien-Zufuhr wird für den Körper mehr zur Belastung als zur Wohltat und kann zu Übelkeit, Schwindel und Heißhungerattacken führen.
Auch wenn es schwer fällt, ist es wichtig, den Körper und auch den Geist langsam an die Fastenzeit zu gewöhnen. Bewährt haben sich ein bis zwei Entlastungs-Tage, an welchen Sie nur leichte Kost (allen voran Obst und Gemüse) zu sich nehmen und auf fettreiche Nahrungsmittel und Fertiggerichte verzichten.
Besser Kalorien reduzieren als absolute Nulldiät
Sicher, beim Heilfasten geht es darum, die tägliche Kalorienzufuhr deutlich zu reduzieren. Doch damit ist keinesfalls eine absolute Nullzufuhr gemeint. Besser ist der Verzicht auf feste Nahrung und die Konzentration auf flüssige Kost. Der totale Verzicht auf Nahrung außer Wasser führt zu Stoffwechsel-Problemen, die sich durch richtiges Fasten mit einer reduzierten Kalorienmenge so gut wie vollständig vermeiden lassen.
So macht Verzicht uns glücklich
In der Fastenzeit verzichten die einen auf Süßigkeiten, die anderen auf Alkohol. Im plus Magazin erzählen fünf Menschen, warum weniger für sie oft mehr ist. Die Ausgabe 3/2023 ist hier für nur 1,95 Euro als E-Paper erhältlich.
Flüssigkeit nicht vergessen
Essenziell für Ihr Wohlbefinden während der Fastenwoche ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Erst dann funktioniert der Stoffwechsel gut und Abbauprodukte können ausgeschieden werden. Trinken Sie täglich mindestens zwei bis drei Liter mineralstoffreiches Wasser (Natrium, Magnesium, Calcium), ungesüßten Tee, Gemüsebrühe oder auch mal Direktsaft mit Wasser vermengt.
An ausreichend Bewegung denken
Um den unliebsamen Jojo-Effekt zu vermeiden, ist es essenziell, sich auch während der Fastenkur ausreichend zu bewegen. Mindestens eine Stunde täglich an der frischen Luft sorgen dafür, dass der Körper nicht beginnt auf Sparflamme zu schalten.
Planen Sie genügend Bewegung ein, werden Sie außerdem merken, wie der Körper anfängt, sich selbst zu regenerieren. Nach wenigen Tagen hat er sich auf die neue Situation eingestellt.
So funktioniert das Fastenbrechen
Auch nach Beenden der Fastenzeit gilt: langsam an feste Nahrung gewöhnen und die abgeschlossene Kur nicht mit einem fetthaltigen 5-Gang-Menü feiern. Das wäre für den Körper eine Belastung, die Sie vermeiden können, wenn Sie im Nachgang noch ein bis drei Tage für die Umstellung einplanen. Auch hier eignen sich Obst und Gemüse gut. Vermeiden Sie im besten Fall während dieser Zeit allzu viel Fett und Genussmittel wie Alkohol oder Zucker.
Fasten – Ein Selbstversuch
Unser Food-Redakteur Peter Hummel wollte ganz genau wissen, wie es ist, in einem Kloster zu sich zu finden und auf das Essen zu verzichten. Seinen Selbstversuch hat er für uns dokumentiert:
Im Innenhof des Benediktiner-Klosters Plankstetten im Altmühltal duftet es nach frischem Mohnkuchen aus der Bäckerei, einer der Brüder sortiert Bierflaschen mit Ploppverschluss und wer in den Laden der Abtei geht, sieht durch eine Glasscheibe im Boden die frisch geräucherten Würste aus der Biometzgerei im Keller hängen. Wo sie reifen und duften und nur darauf warten, eine deftige bayerische Brotzeit zu begleiten. Aber allein der Gedanke daran ist für die zwölf Menschen, die an diesem Freitag Nachmittag ihre Rollkoffer ins Gästehaus ziehen, tabu. „Heute kommen die Abstinenzler“, hat die Bedienung im Klostergasthof vorhin gesagt, was aus ihrer Sicht wenig hoffnungsvoll klang.
Eine Woche dauert das Fasten im Kloster und wer ankommt, hat bereits drei Entlastungstage zu Hause hinter sich, in denen es nur ein bisschen Obst und Gemüse gab, um den Körper auf die anstehende Veränderung einzustimmen.
Aus Obst und Gemüse besteht auch die letzte gemeinsame Kaumahlzeit zum Hunger-Auftakt in Plankstetten, von da an gibt es nichts mehr zu Beißen, sondern nur noch Gemüsebrühe, Säfte und Tee. Und damit der Körper auch wirklich weiß, dass in Sachen Stoffwechsel ab sofort eine komplette Kehrwende stattfindet, gibt’s am Samstag, dem ersten richtigen Fastentag, gleich nach Sonnenaufgang eine ordentliche Portion Glaubersalz für jeden, ein natürliches Mineral, das die Verdauungsorgane ordentlich durchspült. Dazu jede Menge Wasser, Tee und eine blasse Gemüsebrühe, in der zumindest ein paar Brösel Salz für einen bescheidenen Genussmoment sorgen. Erfunden hat diese Form des Heilfastens vor über 80 Jahren der Internist Otto Buchinger.
Nicht mehr als 300 bis 500 Kalorien pro Tag und Teilnehmer sorgen nun die nächsten Tage dafür, dass die einen ein bisschen nervös, werden, vor allem die Erstfaster, weil in ihrem Kopfkino die eine oder andere Tasse Kaffee auftaucht oder gar die Wurst aus dem Keller nebenan, oder dass Glückshormone ausgeschüttet werden, wie bei den Erfahrenen, die schon ein bisschen mehr Vertrauen zu sich und ihrem Körper haben.
„Fast alle diese Menschen kommen aus einer festen Alltagsstruktur, sind ausgelaugt und sehnen sich nach einer Art Neuanfang“, sagt Angelika Leyde. „Dabei hilft das Fasten, weil der Leib einem zeigt, wie es funktioniert, ruhende Ressourcen anzuzapfen.“ All die Kraft und Wärme und Energie, die der Körper produziert, erzeugt er nun aus sich selbst heraus und eben nicht aus der Nahrung. Die Zellen greifen auf ihre eigenen Reserven zurück und machen dabei gleichzeitig eine Art Verjüngungsprozess durch. Die einen in der Gruppe genießen das, während sie tagsüber kleine Wanderungen machen, Orte besichtigen oder mal in ein Museum gehen, bei anderen sorgt die gefürchtete Fastenflaute dafür, dass sie sich eher in ihr Zimmer zurückziehen.
Dabei machen aber alle die Erfahrung, dass der Geist von der Abstinenz eher profitiert. Irgendwann, so ab dem dritten Tag, denkt man nämlich nicht mehr an ein banales Stück Torte oder ein herzhaftes Butterbrot, sondern daran, was alles war, was gerade ist und was kommen könnte. Perspektiven, Ideen und Sehnsüchte tauchen plötzlich auf, die so im Trubel des Alltags wohl nie möglich gewesen wären. „Die Sinnsuche wird angeregt“, sagt die Kursleiterin, „und so manche Chance, von der man meint, sie in der Vergangenheit verpasst zu haben, rückt plötzlich wieder in den Mittelpunkt.“
Fasten bringt den Geist in Schwung
Tatsächlich ist Fasten ein fester Bestandteil aller Religionen, denn der Gläubige soll sich durch den Nahrungsentzug wieder mehr auf das Wesentliche konzentrieren. Deshalb war es zum Beispiel schon früher während der Fastenzeiten den Mönchen des Klosters Plankstetten untersagt, feste Nahrung zu sich zu nehmen, was in den Abteien zur Erfindung des Starkbieres geführt hat, weil sich die frommen Männer über den kräftigen Sud ihre Kalorien holten. Heute fasten die 12 Mitglieder des Konvents, indem sie zum Frühstück und zum Abendessen auf Wurst verzichten und montags, mittwochs und freitags gibt es kein Fleisch. „Nur noch Saft trinken“, winkt einer von ihnen bewundernd ab, „das wäre nichts für mich.“
Obwohl sich bei Angelika Leyde im siebentätigen Fastenkurs an Tag fünf ein kulinarischer Höhepunkt anbahnt, denn die leidlich delikate Gemüsebrühe wird mit frischen Kräutern aus dem Garten zu einer Art Festmahl verwandelt. Ein Filet vom Salbeiblatt hier, ein Schnittchen vom Schnittlauch dort, etwas vom gedünsteten Thymian darüber. Was für eine Freude! Und vor allem: Was für ein intensives Geschmackserlebnis! Nach all dem Flüssigen ist es geradezu eine Wonne, ein bisschen schmackhafte Struktur im Mund zu haben, wenngleich es sich nur um fein gehacktes Grünzeug handelt.
Danach wieder ein bisschen Wandern, dösen und darüber sinieren, wie es wohl sein kann, dass so ein bisschen Verzicht so viel Gewinn an frischen Gedanken bringen kann. „Der Mensch ist wie das Tier fürs Fasten gemacht“, erklärt die Fastenleiterin, was unstrittig ist, weil alle Teilnehmer nach sieben Tagen noch leben – und nicht wenige sogar besser als zuvor. Außerdem sind alle um ein paar Kilo leichter, was ganz automatisch zu einer Heiterkeit in der Gruppe führt, die allenfalls mit der guten Laune nach einer weinseligen Schlemmerwoche vergleichbar ist.
Als letzten Akt des gemeinsamen Hungerns zelebriert die Gruppe schließlich das sogenannte Fastenbrechen mit einer leichten Kaumahlzeit. Nur etwas Obst und Gemüse, leichte Kost, damit der Organismus nicht zu sehr daran zu knabbern hat. „Oh, wie köstlich“, hört man da. Und: „Hmmm, so lecker!“ Drei Aufbautage geht das dann daheim noch so weiter, ehe sich die Würste aus dem Klosterladen in einer feierlichen Prozession zu den Karotten und Selleriestangen gesellen dürfen. Und in so einem Moment wird einem irgendwie klar, was die Mönche meinen, wenn sie sagen, dass man Leib und Seele etwas Guten tun soll. Für die Seele funktioniert das überaus ergiebig, indem man dem Leib mal ein bisschen Sparsamkeit zumutet.